Hatice Koca
Krankenpflegerin
Was hat dich dazu bewegt, Krankenpflegerin zu werden?
Um ehrlich zu sein, wollte ich eigentlich gar nicht Krankenpflegerin werden, sondern Hebamme. Das hat jedoch nicht geklappt. Als ich gesehen habe, dass Pflege auch in Form eines Studiums angeboten wird, habe ich mich beworben. Der Aufnahmetest war wie der Hebammenaufnahmetest, weshalb ich mir gedacht habe: „Wenn das funktioniert, fress‘ ich einen Besen!“ Es hat funktioniert – den Besen habe ich aber dann doch ganz gelassen – und noch während meines ersten Semesters habe ich gemerkt, dass mir die Pflege sehr gut gefällt. Sie hat mich abgeholt, und Hebamme werden war ziemlich schnell vom Tisch. Übrigens, momentan läuft die Bewerbungsphase für das Studium und die Ausbildung zur Pflegefachassistenz und Pflegeassistenz: https://gesundheitsverbund.at/ichpflege/.
Warum produzierst du auf Social Media Content über deinen Beruf als Pflegekraft?
Als ich begonnen habe, Pflege zu studieren, habe ich auf Social Media nach Pflegekräften gesucht, um mir ein besseres Bild machen zu können. Dabei habe ich jedoch niemanden im deutschsprachigen Raum gefunden. Also beschloss ich, einfach meinen eigenen Alltag als Pflegestudentin zu teilen: meine Lerninhalte, Erfahrungsberichte aus meinen Praktika und Co. Und das scheint die Leute zu interessieren – nicht nur Personen aus der Pflege, sondern auch andere. Ich denke, niemand kann den Pflegebereich besser nach außen vertreten als die Pfleger:innen selbst. Das Ganze ist einerseits Aufklärungsarbeit über den Beruf, und andererseits sind potenzielle zukünftige Pflege(fach)kräfte auf diesen Plattformen unterwegs – es ist also irgendwo auch eine Art Recruiting.
Erzählst du uns deine Lieblingsanekdote aus dem Berufsalltag?
Es ist nicht direkt eine Anekdote, aber einfach ein Gedanke, den ich immer wieder habe: Manchmal habe ich Momente, in denen ich innehalte und mir denke: „Dieser Beruf ist doch schon verdammt komisch, wenn mich jetzt jemand sehen würde, der keine Ahnung von der Pflege hat, der muss mich für komplett verrückt halten.“ In einem Moment reanimieren wir und im nächsten Moment sind wir auf Augenhöhe mit einem Sackerl voll Harn und begutachten es aus nächster Nähe, während am Nebenbett gerade jemandem ein Beatmungsschlauch eingeführt wird. Genau in solchen Situationen merke ich, was mich so begeistert an der Pflege: wie breitgefächert und vielfältig sie ist; welche Fähigkeiten und Fertigkeiten notwendig sind, um zu pflegen; dass man einen wichtigen Beitrag in der Gesellschaft leistet; wie erfüllend, aber auch frustrierend Pflege sein kann; und wie Pflege Leben beeinflusst, das der Patient:innen und meine eigenes.
Welche Erfahrungen hast du als Muslima in deinem Arbeitsalltag gemacht?
Wenn ich auf meine vergangenen 3,5 Jahre in der Pflege zurückblicke, waren diese durchwachsen. Ich hatte mit Rassismus und Vorurteilen zu kämpfen. Heute arbeite ich in einem Team, in dem mein Glaube kein Thema ist, von Anfang kam es hier nur auf meine pflegerische Leistung an, und wie ich mit dem Team harmoniere. Mir ist jedoch bewusst, dass ich da wirklich einen Jackpot ergattert habe. Hijabies sind immer noch eine Seltenheit in der Pflege und vor allem im Intensivbereich. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass die Pflege und das Gesundheitswesen inklusiver werden und, dass dies auch die Gesellschaft, die de facto unsere Patient:innen sind, spiegelt. Glaube, Sexualität, Herkunft – all diese Dinge sollten keine Rolle spielen.